[caption id="attachment_1039" align="alignleft" width="320" caption="Ins Tal, ins Unwetter"]Ins Tal, ins Unwetter[/caption] Es ist kühl und feucht auf dem Pass und ich blicke in ein schroffes, zerklüftetes und mit Nebel verhülltes Tal. Dicke Wolken umgeben die Gipfel und die Schotterpiste vor mir verschwindet im Dunst. Es ist kein Laut zu hören,  bis mit erschütternder Kraft ein Donnerschlag durchs einsame Tal rollt. Ich weiß weder in welchem Zustand die vor mir liegende Bergpiste sein wird, noch, und das ist schlimmer, weiß ich mit Sicherheit, dass sie überhaupt zum Ziel führt und nicht einfach an einem Bauernhaus endet. Alles schon gehabt. Hinter mir liegen bereits 2 Stunden ungepflasterte Bergstraßen. Zurück kommt nicht in Frage. Vor mir liegt das Abenteuer denke ich und starte die Tenere. Nemrut Dağı (Berg Nemrut) das mystische Highlight meiner Türkeifahrt lockte mich in ein Gebiet weit abseits größerer Orte und Verbindungsstraßen. Die Bergzüge sind hier besonders schwer in der Nord-Süd Achse zu überqueren und ausgebaute Straßen verlaufen in weitem Bogen und nur westlich um den Nemrut herum. Ich komme aus dem Norden und entscheide mich, die kürzeste Route über die Berge nach Süden zu nehmen, um dann von Süden kommend zum Gipfel zu fahren. Laut Google Maps ist eine durchgängige Straße über den Gipfel des Nemrut eingezeichnet. Wenn es eine gibt, kann ich sie fahren, denke ich, auch wenn der Lonely Planet sagt, es geht nicht. Mir ist klar, dass die kürzeste Route in diesem Fall sicher nicht die schnellste ist, aber mich lockt die Aussicht auf lauschige Bergstraßen durch sehenswerte Landschaften. [caption id="attachment_1033" align="alignleft" width="320" caption="Aufbruch zum Offroad Abenteuer"]Aufbruch zum Offroad Abenteuer[/caption] Meine Türkeikarte ist viel zu grob für derlei Straßen und meine 2012 Türkei Garminkarten haben nicht einmal wesentlich größere Straßen. Ein Handy mit Google Maps und Datenpaket zeigt aber auch die winzigsten Pfade, allerdings nicht immer ganz akkurat. Die Reifen auf 1.5 Bar abgelassen, um von Steinen und kleinen Unebenheiten nicht unnötig durchgeschüttelt zu werden und dem Reifen mehr Möglichkeit zu geben, sich an den Untergrund anzupassen und los gehts. Würde die Länge der vor mir liegenden Strecke mich nicht ständig zum weiterfahren mahnen, könnte ich alle 5 Minuten für Fotos stehen bleiben. "Wow" und "Ahh" und "Das gibs ja nich" rufe ich in meinen Helm, immer und immer wieder. Abseits jeglichen Verkehrs eröffnet sich mir eine gewaltige Bergwelt, die ich mit zunehmend fahrerischer Sicherheit erobere. Eine zügige Geländefahrt fordert alles an Konzentration und zu dem üblichen Spiel aus Gas, Bremsen, Kupplung und Schaltung kommt anstrengender Körpereinsatz und ein präzises Straßenstudium. Erschöpft aber tief erfüllt, komme ich am letzten Pass im Donnergrollen und Blitzspektakel an. Allein und klein fühle ich mich hier aber lebendig und ganz und gar positiv. Hochgekommen bin ich. Ein nach Bestätigung suchender Blick auf Goolge Maps sagt mir - kein Empfang. Ein paar Straßen in einer Zoomstufe im Cache, OK wird schon stimmen. Die Straße ist vom Regen aufgeweicht und zum Teil ins Tal hinein abgebrochen, bzw. auf der Bergseite von heruntergerutschter Erde und Steinen verschüttet. Ich komme nur langsam voran. Runter ist zusätzlich schwieriger. Es beginnt zu Regnen und ich hole zum ersten mal meine Regenklamotten raus. Das Wasser auf dem Visier erschwert die Sicht und ich schleiche im ersten Gang um die Kehren. Immer wieder gehen Pfade links oder rechts ab, ich weiß nicht mehr ob ich richtig bin, verfahre mich, drehe wieder um. Plötzlich mitten in der Einöde steht ein Schäfer mit einer Herde vor mir, gekleidet wie aus einem vergangenen Jahrhundert. Ein nickt mir zu, mit gütigen Augen und einen massiven und dichten Oberlippenbart, während ich langsam durch die links und rechts ausweichenden Schafe tuckere und zurücknicke. Ich ärgere mich, kein Foto zu haben aber manche Augenblicke und Begegnungen kann man einfach nicht durch das Zücken der Kamera zerstören. Sie müssen rein und privat bleiben. [caption id="attachment_1040" align="alignleft" width="213" caption="die letzten Kilometer der Abfahrt"]über diese Strasse musst du kommen[/caption] Erste Häusschen, eine bestätigende Handgeste eines Bewohners, ich bin richtig, aber der Tag neigt sich dem Ende. Schneller und schneller fahre ich mit der Dämmerung um die Wette und komme noch rechtzeitig am Eingang des Nemrut Nationalparks an. Ein Campingplatz im Park ist zwar nicht gerade die schönste Aussicht nach diesem nassen Tag, aber die Vorstellung anzukommen, egal wo, ist himmlisch. Der Platz besteht aus einer kleinen Sandfläche und einem Cafehäusschen umgeben von schroffen Felsen, aber einem beeindruckenden Blick ins nebelverhangene Tal. Es ist kein Gast da, aber ein Mann kommt durch den Regen zu mir gerannt. Ich frage ihn ohne Umschweife, ob ich im Cafe (einem von Fenstern umgebenen Holzgebäude) übernachten kann und er antwortet sofort "Warum nicht?". Zehn Minuten später sitze ich mit Bier und heißer Bohnensuppe im Trockenen und höre mit Befriedigung, wie der Sturm in der Dunkelheit zunimmt und Regen wild gegen die Fenster peitscht. Um acht Uhr liege ich im Schlafsack. Mehr Tag geht nicht. [caption id="attachment_1044" align="alignleft" width="320" caption="Köpfe auf Nemrut"]Köpfe auf Nemrut[/caption] Am frühen Morgen lockt der Berg. Was ist dran an den angeblich mystischen Statuen auf dem Gipfel? Ein größenwahnsinniger König hat sich im Jahrhundert vor Christus dort eine monumentale Grabstätte in Form von Statuen, die über die Landschaft schauen, errichten lassen. Das Königreich ist bereits nach dem König wieder verfallen und fast 2000 Jahre standen die Götterfiguren vergessen und unangetastet dort oben. Auf 2200 Meter klettert die gut ausgebaute Straße auf den kahlen und frostig kalten Gipfel. Nachdem ich die letzten, steilen 300 Meter zu Fuß hinter mich gebracht habe, kann ich nur stillschweigend diesen bewegenden Ort auf mich wirken lassen. Im eisigen Wind stehen sie da, die kopflosen Rümpfe, während die, durch Erdbeben heruntergerollten Köpfe seit über zwei Jahrtausenden stumm in die Ferne starren. Hier fühlt man sich wirklich wie der König der Welt. Der Ort hat eine Kraft, der ich mich kaum entziehen kann. Wieder auf dem Parkplatz unterhalb des Gipfels erkundige ich mich nach dem Weg auf die andere Seite des Berges, zur Straße die von Norden kommt. Auch von Norden kommend kann man den Gipfel erreichen, muss aber ebenfalls die letzten 300 Meter zu Fuß zurücklegen. Man sagt mir es gibt keine Straße, aber man könnte mein Motorrad über den Gipfel tragen. 4 Mann für das Motorrad und ein oder zwei Esel für das Gepäck. So wenig ich daran glaube dass das gut geht, so schlecht sind die Alternativen. Der Weg über offizielle Straßen nach Norden verläuft im Westen (über Katha/Adiyaman) mit etwa 200 Kilometer Umweg und im Osten gibt es überhaupt keine halbwegs naheliegende Route. 300 Meter Gipfel, 300 unverhandelte Lira (ca. 120€) und die Unsicherheit, dass es überhaupt gelingt, trennen mich von der Straße im Norden. Aber es gibt laut Google Maps noch eine kleine gelbe Linie die östlich vom Nemrut über das Bergmassiv führt. So sehr ich die Tenere auch über den Berg getragen gesehen hätte, so wenig will ich sie ins Tal fallen sehen und entscheide mich wiederum für die kleine gelbe Linie. [caption id="attachment_1049" align="alignleft" width="213" caption="Kurdin mit meinen Datteln"]Kurdin mit meinen Datteln[/caption] Mit 230 Kilometern auf der Tankuhr (mit der KTM undenkbar) wage ich mich nochmals, den Weg über die Berge auf teils schlechten Pisten anzutreten und werde wieder mit einer außergewöhnlichen Fahrt, diesmal in bestem Wetter, belohnt. Eine traditionell gekleidete Kurdin spingt winkend auf die Strasse und hält mir eine Art Süssigkeit hin. Ich nehme dankend an und gebe ihr als Austausch meine Tüte Datteln. Wir reden noch beide engagiert in unseren für den anderen unverständlichen Sprachen, bis sie sich winkend verabschiedet. Begegnungen wie diese können einen ganzen Tag herumreißen, oder das I-Tüfelchen auf einen Guten setzen. Ich überquere erfolgreich das Hauptmassiv,  muss aber nach längerer Sucherei und der Angst vor dem Tagesende, bzw. der Aussicht auf eine klirrend kalte Nacht auf dem Berg, die Suche nach der Route über den letzten Nebenpass aufgeben und auf offizielle Straßen ausweichen. Auf der vergrößerten Karte, kann man das recht gut nachvollziehen. Es gibt dort eine gelbe Linie über die Berge, aber jeder Kilometer dort dauert sehr lange, da es sich immer um grobe und steile Bergwege handelt. Wiederum fahre ich mit dem Sonnenuntergang um die Wette, werde aber mit der bei weitem schönsten Asphaltpassstrasse bislang und kurz vor Sonnenuntergang mit einem idealen Wildzeltplatz am See in Kale belohnt. Nach mehr als 300 off road Kilometern ohne wirklich voranzukommen ist es Zeit für ein paar Transitmeilen. Es geht wieder ... nach Norden :). Ich habe mich entschlossen den Umweg über Georgien und Armenien zu fahren, bevor ich in den Iran einreise. Wenn man schon mal hier ist ... Mehr dazu bald. [gallery]

7 Antworten zu “Nemrut Dağı”

  1. Remember to tell the Georgians how impressive they were in the Rugby World Cup in New Zealand. Awesome forwards!!!

  2. 🙂 Thats a good one. Will keep that in mind!

  3. wir finden alles toll.oma,bedangt sich für das geschenk.wir bewundern deine abenteuerlust.wolfgang

  4. Hallo Migo, bin zufällig auf Deine Seite gestoßen. Sehr spannend und umfangreich.

    Der “Kontakt”- Button fehlt ;(

    Ich plane gerade eine Afrikatour und wollte ursprünglich auch in Marokko starten. Das was da allerdings über das Auswärtige Amt an Warnungen herausgeben wird, ist nicht besonders ermutigend. Wie war das damals bei Dir? Augen zu und durch?

    Ach ja, ähnlich wie Du damals, hab ich natürlich keine Lust, diese Tour allein zu machen. Die geeigneten Partner fehlen noch. Wenn Du einen Tipp hast oder jemanden kennst … 😉

    Ich würde mich über ein Feedback freuen.

    Viele Grüße. Sven.

  5. Hi Sven,

    Der Kontaktbutten fehlt in der Tat. Schreib mich doch einfach nochmal an unter gfriebe-at-primecoder-de an.
    Was das Auswärtige Amt angeht. Ich hatte mir das damals auch alles angesehen. Es gab Warnungen für mindestens 4 Länder auf dem Weg. So ganz ernst kann man das nicht nehmen. Gegebenfalls sollte man aber bestimme Gegenden meiden, oder sich ansehen, aus welchem Grund die Warnung ausgegeben wurde und selbst entscheiden inwie fern das auf das eigene Unterfangen zutrifft.

    Was das gemeinsam fahren angeht. Ich hatte Glück nehme ich an, wäre aber auch ohne Partner losgefahren. Es ist hilfreich, geht aber auch ohne. lass dich davon nicht abhalten. Auf dem Weg trifft man auch viele Leute, ggfs. in Autos, denen man sich in schwierigen Etappen anschliessen kann. Man ist nicht allein da draussen!

    Gruß,
    migo

    Gruß,
    migo

  6. Wow…….

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