[caption id="attachment_1269" align="alignleft" width="320" caption="Endlos"]Endlos[/caption] Ich schalte den Motor aus und setze den Helm ab. Vor mir und im Rückspiegel verliert sich die Straße in einer endlos scheinenden Linie im Horizont. Links und rechts ist nichts als Sand und flimmernde Wüstenebenen. Der langsam abkühlende Motor tickt, ansonsten ist es still. Nicht leise oder ruhig sondern absolut geräuschlos, kein Rascheln von Pflanzen, kein entferntes Rauschen oder Motorbrummen, kein Zirpen oder Zwitschern, totale Stille, einfach Nichts. Draußen sein, heißt hören, sagt intuitiv die Erfahrung und die Ruhe wirkt unwirklich, wie ein Traum. Ich gehe einige Schritte und das Knirschen des Sandes unter meinen Stiefeln wirkt pur und unvermischt. Ich stehe einige Minuten, blicke zum Horizont und sehe und höre absolut keine Veränderung. Noch besser als das Auskosten dieses Momentes der absoluten Reduzierung jeglicher Reize, ist die Gewissheit, dass nichts Plötzliches diesen Moment beenden wird. Dafür bin ich hier. Allein dafür war es den Umweg wert. Die Fahrbahnmarkierungen fliegen vorbei, ansonsten verändert sich auch während der Fahrt nicht viel. Nur der Wind vereitelt die Illusion auf einem Fahrband zu sein, das wie in einer Simulation unter dem Motorrad abgespult wird. Am Ende das Blickfeldes zeichnen sich die Umrisse von Bergen ab. Es wird eine weitere Stunde schnurgerader Fahrt mit konstanten 110 km/h dauern, bis ich sie tatsächlich erreiche. Ich lasse die Gedanken schweifen und genieße die Weite, als ein Auto auf der rechten Fahrbahnseite auftaucht. Ich beobachte es, während es langsam näherrückt. Eine Person geht zum Straßenrand, wartet auf mich und streckt dann langsam die Hand mit der Kelle aus. Nein!, sprichwörtlich mitten in der Wüste werde ich geblitzt!? 80 hätte ich fahren dürfen, lächerlich auf der offen Wüstenstraße. [caption id="attachment_1271" align="alignleft" width="320" caption="es hätte auch eine Atrappe sein können"]Atrappe[/caption] Zunächst werde ich aufgefordert mein Licht auszuschalten. Das Licht ist leider nicht manuell abschaltbar bei der Tenere. Ein Umstand der sehr viele entgegen kommende Fahrzeuge verwirrt und mit Lichthupen quittiert wird. Ich winke daraufhin meist nur zurück. In der Stadt fahren ständig Leute auf meiner Höhe und weisen mich auf das Licht hin. Ich kann ihnen natürlich nicht ohne Weiteres verständlich machen, dass es nicht abzuschalten ist und es ist eine Frage der Ausdauer des Fahrers, bis er mich für begriffsstutzig erklärt und aufgibt. In Teheran wollte sich einer einfach nicht davon abbringen lassen, mich zur nächsten Werkstatt zu fahren. Es ist einfach keine gute Innovation diesen Schalter bei einer Fernreiseenduro wegzulassen! Nachdem ich diesen Missstand meines Motorrades auch meiner Polizeistreife verständlich gemacht habe, werde ich darauf hingewiesen, dass ich zu schnell war. Ich komme mir zwar etwas dämlich vor, tue aber dennoch als würde ich nicht so recht verstehen. Mit Blick auf meinen Pass und die deutsche Zulassung weiß man aber scheinbar nicht so recht mit mir umzugehen oder ist einfach nur nachsichtig und ich werde schließlich mit der international verständlichen, vertikalen auf und ab Handbewegung zum langsamer fahren, zurück auf die Straße entlassen. [caption id="attachment_1275" align="alignleft" width="320" caption="Garmeh 2"]Garmeh 2[/caption] Erstes Ziel meiner Wüstenfahrt ist eine kleine Oase namens Garmeh. Aus einem Berg fließt Wasser und verwandelt die trockene Einöde in fruchtbares von Palmen übersätes Land. Ein paar Dutzend Lehmhäuschen in unterschiedlichem Zustand und einige bewirtschaftete Felder schmiegen sich in die Palmenvielfalt. Einige Alte sitzen im Schatten und schauen recht unbeteiligt zu mir herüber. Touristen sind keine Ausnahme hier. Es gibt zwei kleine Gasthäuser im Dorf, die seit einigen Jahren Rucksackreisende und Ausflügler aus Teheran anziehen. Die Ruhe der Wüste liegt auch über dem Dorf. Alles geschieht sehr langsam hier. Keiner hat es eilig. Alles scheint Zeit zu haben. Entspannter kann ich mir meinen Übernachtungsort kaum vorstellen und kehre im wunderschön sanierten Gasthaus der Familie Maziar ein. Für eine Nacht genieße ich die Idylle und Einsamkeit der Oase, 300 Kilometer von der nächsten größeren Stadt entfernt. So eintönig die Wüste auch sein mag, sie verändert sich im Laufe der Durchfahrt doch auf vielfältige Weise. Man sieht Sanddünen, endlos flaches verkrustetes Land, Felsen und Berge und rote und graue Sandstrukturen, die an Mondlandschaften erinnern. Immer wieder halte ich an und laufe ein Stück in die sureale Welt. Zwischendurch gibt es kleine sandfarbene Dörfer, die Reste von Festungen und Siedlungen und ganze Geisterstädte, die verlassen in der Wüste darauf warten, im Laufe der Jahrhunderte endgültig zu verfallen. Interessant sind auch recht große Burgen, die hunderte von winzigen Räumen haben und aufgrund der weichen Linien der Lehmbauweise, innen und außen wie organisch gewachsene, wabenartige Lebensräume wirken. [caption id="attachment_1285" align="alignleft" width="320" caption="Ich in Yazd"]Ich in Yazd[/caption] Auch Yazd, die größte Stadt in der Wüste und angeblich der älteste permanent bewohnte Ort der Welt, hat eine ähnliche obgleich deutlich größere Altstadt. Weiche Lehmstrukturen und Windtürme, die recht effektiv die warme Luft aus dem Innern in einem angenehmen Luftstrom abtransportieren, prägen das Stadtbild. Ich komme im Silk Road Hotel unter, dass durch seinen wunderbar grünen und platzverschwenderischen Innenhof zum Plaudern mit anderen Gästen und stundenlangem Lesen und Teetrinken einlädt. Alle die den Iran besuchen, scheinen irgendwann hierher zu kommen und so treffe ich ein deutsches Paar aus Berlin (Kreuzberg 36!), einen Schweizer, einen Österreicher, der es mit Fahrrad bis hierher geschafft hat, zwei Dänen, zwei Niederländer im Allrad-Toyota und diverse mehr. Keiner hat hier schlechte Erfahrungen gemacht und jeder ist bezaubert von der Schönheit des Landes und seiner Menschen! [caption id="attachment_1284" align="alignleft" width="320" caption="Paul umringt von Schulmädchen"]Paul umringt von Schulmädchen[/caption] Einer der Gäste ist Paul, ein Australier. Als ich ihn zum ersten Mal in den Hof kommen sah, verschlug es mit glatt die Sprache. Paul hatte ich während meiner Afrikatour drei mal unabhängig von einander im Senegal, in Ghana und in Togo getroffen und plötzlich steht er wieder hier vor mir. Keiner von uns hatte die geringste Ahnung das der andere im Iran unterwegs ist. Der Zufall ist geradezu überwältigend. Zusammen schwelgen wir in Afrikaerinnerungen und vertilgen täglich drei bis vier der herausragend guten Bananenshakes, mit Eis und Kokos- und Pistazienraspeln. Hmm. [caption id="attachment_1288" align="alignleft" width="320" caption="Kees und Natahlie (schlafen gerade oben)"]Kees und Natahlie (schlafen gerade oben)[/caption] Eine Nacht in der Wüste, dass muss noch sein zum Abschlus der Wüstenetappe und so machen sich Paul und ich auf der Tenere auf, um irgendwo im freien einsam in die Sterne zu starren. Das zumindest war der Plan. Nach einem Abstecher nach ChakChak, einer Pilgerstätte der Zoroastrier, fahren wir durch einsame Wüstenstrassen auf der Suche nach einer Lagerstätte, als wir am Berghang einen weißen Toyota LandCruiser sehen. Die Niederländer Kees und Nathalie hatten die gleiche Idee und haben sich ausgerechnet in dieselbe Region begeben. Außer uns gibt es weit und breit niemanden und wird es bis zum Morgengrauen auch nicht geben. Da kann man nicht einfach vorbeifahren, denken wir und nehmen dem Pärchen die einsame Wüstenromantik. Statt spartanischem Wüstenausflug sitzen wir auf Stühlen und essen holändische Tütentomatensuppe vom beleuchteten Campingtisch, zu dem wir lokales Brot und Salat beisteuern und schwatzen den ganzen Abend angeregt über Reisen und Reiseerlebnisse. Anders als erwartet, aber man muss die Gegebenheiten eben so nehmen wie sie kommen. Auch schön. Als nächstes steht nichts weniger als die Perle des Orients und die bedeutendste Sehenswürdigkeit des Iran's auf dem Program. Dranbleiben also. Da hatte ich doch im vergangenen Post die Auflösung des Bilderrätsels vergessen. Es handelt sich um eine Skulptur von Aha Hosseini . Diese und eine Reihe anderer sehr ausdrucksstarker Skulpturen befinden sich im Azerbaijan Museum in Tabriz. [caption id="attachment_1295" align="aligncenter" width="213" caption="Bilderrätsel Auflösung"]Bilderrätsel Auflösung[/caption]   [gallery]
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