Nach dreitägiger Pause in Kappadokien geht es heute weiter Richtung Osten. Zeit für einen Zwischenbericht. [caption id="attachment_940" align="alignleft" width="320" caption="Blick über Göreme"]Blick über Göreme[/caption] Bereits mittags komme ich in Göreme an und investiere zwei Stunden, um bei Tageshitze durchs Städtchen zu fahren und Hotelzimmer anzuschauen. Diese sind hier allerdings meist nur Löcher in Felsen, denn genau diese sind das Aushängeschild der Region. Die meisten Singlelöcher in meiner Preisregion sind bereits ausgebucht und irgendwie tue ich mich schwer, in einem Dormitoryloch mit sieben anderen Höhlenbewohnern und oft ohne Fenster zu hausen. Auch kann ich mit 1,50 Meter hohen Löchern in der Größe eines Singlebettes und ausgestattet mit einem solchen wenig anfangen. Die Suche lohnt sich jedoch und ich ziehe für die kommenden Nächte in ein außergewöhnlich schönes Zimmer mit ausreichend Platz für meine Koffer + Reifen, das es mir gestattet, aufrecht zu stehen und über die weißen Felsen von Göreme zu blicken. Früh ankommen lohnt sich, Lektion gelernt. [caption id="attachment_944" align="alignleft" width="320" caption="Felsen in Love Valley. Ahh ja.. Das sieht doch aus wie.."]Felsen in Love Valley. Ahh ja..[/caption] Kappadokien ist märchenhaft. Zeltartige Felsformationen sprießen wie riesige Pilze aus dem Boden, ebene Flächen sind plötzlich aufgerissen und geben Raum für steinerne hundert Meter tiefe und breite Schluchten, als hätte jemand die Erde wie einen Kuchen einfach aufgebrochen. Schroffe aber flache Bergrücken thronen weit über endloser Landschaft. Durch das trockene Gestein fließen Flüsse und Bäche, die in unmittelbarer Umgebung die Natur üppig ergrünen lassen. Wie im Märchen ist es hier, ganz unwirklich und verträumt. Göreme liegt mitten drin im Nationalpark und lädt zu Wanderungen in den zahlreichen Tälern ein. Zusammen mit Peter (Polen) und Kevin (Kanada), zwei weitere Alleinreisende (man zieht sich ja gegenseitig quasi magnetisch an), wandern wir durch die traumhaften Landschaften und überbieten uns gegenseitig beim Fotografieren. Am Ende des Tages haben wir drei eine Unmenge an Steinen festgehalten und müssen wie so oft feststellen, auf den Fotos sieht dat doch allet nich richtich aus. Neben den eigentlichen Hutfelsen sind insbesondere die herausgehämmerten Höhlen von Interesse. Da der Fels im Inneren sehr weich ist, wurden im Laufe der Jahrhunderte tausende von Wohnhöhlen und auch Kirchen herausgepuhlt und so sieht man neben den eigentlichen Felsen überall auch Fenster- und Türlöcher. Besonderer Rummel wird hier um die Kirchen gemacht, die mit entsprechenden Querschnitten versehen sind und auch Fresken aller Art enthalten. Mit wenigen Ausnahmen sind diese allerdings doch sehr simpel und ich muss zugeben, das von der Natur Geschaffene beeindruckt mich doch erheblich mehr als die Lochhäuser und nach einigen Stunden und vielen Löchern bin ich übersättigt (rock churched out..(manches geht auf Englisch eben doch besser)). [caption id="attachment_925" align="alignleft" width="320" caption="Ballons 4"]Ballons 4[/caption] In einer derart außergewöhnlichen Landschaft liegt die Versuchung nahe, dass Ganze auch von Oben betrachten zu wollen und die sehr emsige Tourismusindustrie hält für diesen Zweck eine große Anzahl von Heißluftballons bereit, die morgens mit dem Sonnenaufgangs starten. Ich entscheide mich aus Budgetgründen dagegen, lasse es mir jedoch nicht nehmen, dem Spektakel aus der Ferne zuzuschauen und beginne meinen Tag in frostiger Kälte (wir sind hier auf 1300m Höhe) und Dunkelheit mit dem Erklimmen eines geeigneten Aussichtspunktes am gegenüberliegenden Ende des Tals. Welch ein Anblick. Etwa 60 der voluminösen Ballons kuscheln sich prall gefüllt im Tal aneinander. Da es noch recht dunkel ist flackern sie immer wieder auf, wenn die Flammen gezündet werden und sehen aus wie riesige Lampenschirme. Zusammen mit der Sonne steigen einer nach dem anderen auf und verteilen sich über dem Göreme Naturpark. Ich frage mich, ob ich oder die Ballonfahrer den schöneren Ausblick hatten. Auf meinen vom Gepäck befreiten Fahrten durch die Umgebung halte ich an einer Kreuzung, und überlege, ob die abgehende Nebenstraße ein gute Abkürzung zu meinem Ziel wäre. Es sind oft die kleinen Straßen, die sich als besonders attraktiv herausgestellt haben. An eben dieser Kreuzung steht ein älterer, mindestens 70 jähriger Mann und wartet offenbar auf eine Mitnahmegelenheit auf der Hauptstraße. Sobald ich halte, kommt er an, fragt mich wo ich hin will und signalisiert mir den Weg auf der Hauptstraße und sein Interesse hinten aufsteigen zu wollen. Überzeugt von der Richtigkeit der Nebenstraße, teile ich ihm meine Entscheidung mit, woraufhin er seine Meinung ändert und trotzdem aufsteigen will. Ohne weiter zu fragen, schwingt er sich erstaunlich behend (das Motorrad ist recht hoch) auf und wir fahren gemeinsam los. Nach nur kurzer Zeit erreichen wir offenbar sein Dorf und er lässt es sich nicht nehmen, johlend und winkend auf sich aufmerksam zu machen und erntet mit Erfolg eine Vielzahl erstaunter Blicke. Wir fahren noch 20 Kilometer in denen er mir immer wieder irgendwelches mir unverständliches Zeug erzählt, als er mir plötzlich auf die Schulter klopft und auf den Straßenrand zeigt. Wir halten, er klettert ab, lächelt mir nochmals zu und verschwindet schnurstracks in eine Gasse. Per Anhalter fahren ist hier sehr typisch und ständig sieht man Leute am Strassenrand stehen. Ich nehme an diesem Tag noch zwei weitere Passagiere mit (aufgrund der Ersatzeifen sonst nicht möglich) und es macht mir Spass, Teil des Transportflusses zu sein. Das Vertrauen und die Selbstverständlichkeit Fremde mitzunehmen, fühlen sich gut an und sagen einiges über das Miteinander hier aus. [caption id="attachment_930" align="alignleft" width="320" caption="Größe der Gänge in einer unterirdischen Stadt"]Größe der Gäng in einer unterirdischen Stadt[/caption] Auf dem Kappadokiapflichtprogramm steht auch der Besuch einer der zahlreichen unterirdischen Städte, die hier im Zuge des Einfalls der Perser und Araber im 6. und 7. Jahrhundert von den byzantinischen Christen als Versteck bewohnt wurden. In Derinkuyu sollen so bis zu 10000 Menschen unter der Erde gelebt haben. Es ist beängstigend sich durch die meist sehr niedrigen Gänge immer weiter nach Unten zu schieben und sicher nichts für Klaustrophobiker. Bis zu 10 Etagen geht es auf diese Weise nach unten. Ein winziger 40 Meter langer Treppengang verbindet hier den unteren Teil mit einem weiter oben liegenden und als ich, eine Gruppe Chinesen im Rücken, auf meinem Weg nach unten auf eine sich nach oben kämpfende Gruppe Japaner stoße, wurde mir zugegebenermaßen auch ziemlich mulmig, denn auch mit sehr viel guten Willen kommt man hier nicht aneinander vorbei und es hat eine kleine gefühlte Ewigkeit gebraucht, bis den letzten oben durchgesagt werden konnte, dass alle wieder zurück müssen. Ich war sehr erleichtert, nach 20 Minuten wieder Sonnenlicht zu sehen und kann es kaum glauben, dass Menschen in so etwas wohnen konnten. [caption id="attachment_936" align="alignleft" width="320" caption="kurdische Kinder in Zeltlager"]kurdische Kinder in Zeltlager[/caption] Hin und wieder sieht man mittelgroße Zeltsiedlungen am Straßenrand. Es handelt sich hierbei um Kurden, die vornehmlich aus den südöstlichen Regionen der Türkei kommen und im Sommer und Zeiten der Ernte als billige Arbeitskräfte aushelfen. Das Volk der Kurden ist durch die Aufteilung in Nationalstaaten nach dem ersten Weltkrieg auseinander gerissen worden und fand sich folgend als Minderheit in Syrien, Iran, Iraq und der Türkei wieder. Wie in etlichen ähnlichen Beispielen weltweit, hat das zu Problemen geführt. Die kurdische Kultur und Sprache wurde im Zuge der Nationalisierung der Türkei systematisch unterdrückt bzw. verboten. Selbst das Wort Kurde wurde nicht mehr toleriert und der Kurde wurde offiziell zum Bergtürken. Heute sind die Kurden die Ärmsten und auch Zurückgebliebendsten der Türkei. Ich halte in einem dieser Zeltstädte um etwas genauer hinzuschauen und bin  binnen Sekunden umgeben von Kindern und Jugendlichen, die mich neugierig aber nicht bedrängend beäugen und mich mit unverständlichen Sprachfetzen zutexten. Es ist schade, wie viel einem in einer solchen Reise aufgrund der Sprachbarriere verloren geht. So viel würde ich fragen wollen! Ach und noch was am Rande. In China ist es mir bereits aufgefallen, aber hier ist der Kontrast deutlicher. Chinesen (hatte welche in meiner Pension) essen wie Schweine. Ich kann es einfach nicht weniger drastisch formulieren. Jemand muss denen das mal sagen. Ich hab mich jedenfalls nicht getraut: "Entschuldigen Sie Herr Chinese, wussten Sie, dass sie wie ein Schwein essen? Ich kann es nicht mehr ertragen und setze mich daher ans andere Ende des Restaurants.". Nach dieser doch sehr touristischen Etappe, verlasse ich langsam aber sicher den Touripfad (ein Highlight steht noch auf dem Programm) und fahre zunächst tiefer und höher in die Berge. Weiterfahren und Tee trinken ist also angesagt. Letzterer kommt mir mittlerweile aus den Ohren. Die Menge konsumierter Teegläser pro Tag kann ich gar nicht mehr zählen. [gallery]
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