Ein frohes neues Jahr wuensche ich euch aus Yaounde, Kamerun. Nach meinem etwas misslungenen Sylvesterabstecher nach Kribi, im Suedwesten des Lands, verbringen wir jetzt einige Tage in der Hauptstadt, um Visa fuer die kommenden Laender zu beschaffen.

[caption id="attachment_372" align="alignleft" width="320" caption="Bohrinsel und Piroge - der ganze Kontrast in einem Bild"]ohne Worte[/caption] Mit wunderschoenen, teils einsamen Palmenstraenden und entspannter Atmosphare erfuellt Kribi meine Erwartungen an ein tropisches Strandparadies voll und ganz. Ein Geheimtipp ist es allerdings laengst nicht mehr und so finde ich mich umgeben von weissen und fetten Maennern in Begleitung schwarzer Schoenheiten wieder. Es ist unaestaetisch und geradezu beschaemend, mitanzusehen, wie viele der weissen, uebergewichigen Urlauber unbeholfen den Strand entlang schwabbeln und ich frage mich was der vorbildlich gebaute Kellner neben mir wohl denkt, wenn sein Blick ueber die teils verbrannten Fettmengen schweift. Die Hotel- und Essenpreise liegen hier auf zwei- bis dreifachem Landesniveau, was meinem Bestreben meine Ausgaben zu reduzieren, nicht gerade entgegen kommt. Abends kommt ein Gruppe Pygmaeen in den Hotelhof, die sich trommelend und tanzend vor einem schwerfaelligen Publikum verausgaben, das, unsensibel fuer Rythmus und Musik, ausschliesslich damit beschaeftigt ist, mit dicken Fingern grosse Krabben von ihrem Inhalt zu befreien. Baeh.. ich fuehle mich deplaziert und suche mir stattdessen fritierte Bananen, pufferaehnliches Gepaeck und Fleischspiesse bei den Essensstaenden am Stadtstrand. Meine Bekannten aus Limbe, die mich ermutigt hatten hier vorbeizuschauen (und auch das Hotel empfahlen) erschienen erst am spaeten Sylvesterabend, um mir dann mitzuteilen, das fuer eine geradezu utopisch hohe Summe ein Essen in einem besseren Hotel reserviert wurde. Ich sage dankend ab und traeume bereits friedlich, wenn das neue Jahr seinen Anfang nimmt. Dennoch, meine Fahrt durch den Dschungel nach Campo, der letzten Siedlung vor Equatorial Guinea, auf teils schwieriger Piste, aber ausnahmsweise ohne Gepaeck, war trotz der eingeschraenkten Funktionalitaet meiner Gabel ein riesen Spass. Ich gewinne zunehmend Vertrauen in mein Offroadfahrkoennen und geniesse es die recht schwere Maschine flink und vorausschauend durch teils anspruchsvolle Abschnitte zu bewegen. Nach etwa 160 stehend verbrachten, vollkonzentrierten Kilometern, spuert man abends jeden Muskel (besonders unterer Ruecken) und eine enorme Erschoepfung. Allen Motorradfahrern da draussen, die sich lediglich auf glattem Asphalt aufhalten, sei gesagt, ihr verpasst eine ganze Welt auf zwei Raedern. Motorradfahren hat hier noch einen zusaetzlichen Ruhebonus. Es gibt immer jemanden der guckt, kommt, pfeifft, ruft, fragt oder winkt. Man befindet sich immer im Zentrum der Aufmerksamkeit und an manchen Tagen ist es einfach zuviel. Waehrend man faehrt, ist man jedoch immun. Die Bewegung schafft einen Abstand, der manchmal noetig ist und an einigen Tagen, wenn sich zu grosse Mengen um uns ansammeln, fuehlt sich das Aufsetzen des Helmes, das Anlassen des Motors und das Beschleunigen in den ersten Gang fasst wie eine Befreiung oder Flucht an. Meistens aber geniesse ich den Kontakt zur Umwelt und ich stelle erstaunt fest, wie dick meine Haut gegenueber dem staendigen Ansturm auf meine Person geworden ist. Nach drei Monaten in Afrika bringt micht fast nichts mehr aus der Ruhe. Solange man bereit ist, sich auf die Situationen einzulassen, mit den Leuten redet, statt genervt zu reagieren, Interesse und Respekt zeigt, statt von oben herab zu schauen und vorallem laechelt und freundlich bleibt, wird man mit positiven Erfahrungen belohnt. Selbst anfangs scheinbar negative oder gar aggressive Begegnungen haben sich am Ende bislang fast immer in Wohlgefallen aufgeloesst. Gleiches gilt auch fuer den Verkehr. Wenn man nicht dagegen ankaempft und an eigenen Regeln festhaelt, sondern sich auf die Gewohnheiten und den Fahrstil vor Ort einlaesst und mitschwimmt, verlieren auch katastrophale Strassenschlachten in Nigeria oder einigen Hauptstaedten Westafrikas ihren Schrecken. Ampeln, Strassenrichtungen, Fahrspuren oder Geschwindigkeitsbegrenzungen, hier sind das alles nur Vorschlaege. Wenn man lernt in welchem Rahmen die Vorschlaege Beachtung finden, wird das moegliche Verhalten andererer Verkehrsteilnehmer vorhersehbar und man genehmigt sich selbst die gleichen Freiheiten in der Auslegung der Richtlinien, wissend, dass auch das eigenen Verhalten nicht auf Ueberraschung bei den anderen stossen wird.

[caption id="attachment_373" align="alignleft" width="320" caption="Benzin am Strassenrand"]Benzin am Strassenrand[/caption] Die entspannte Fahrt nach Yaounde am Neujahrstag fuehrt mich vorbei an aufgebauten Staenden, haeufig alte Tonnen mit Brettern als Ablageflaeche, auf denen die fuer die Dorfbewohner zugaenglichen Waren praesentiert werden. Meist handelt es sich hierbei um Kokosnuesse, Bananen, Rueben, Holz, Papaya usw.. Haeufig wird Benzin in Flaschen am Strassenrand aufgebaut. Tiere, bzw. Fleisch und Fisch haengen in den meisten Faellen an Seilen und baumelen im Wind. Streng verboten aber traurigerweise Realitaet, sehe ich auch tote Affen, die auf diese Weise zum Verkauf angeboten werden. Bushmeat (Buschfleisch) heisst das hier, was nicht nur Affen beinhaltet, sondern im Grunde alles was man im Urwald fangen kann.

[caption id="attachment_371" align="alignleft" width="320" caption="gefangene Python"]gefangene Python[/caption] Bewegt man sich in erster Linie auf ausgetreten Pfaden und in Staedten, vergisst man manchmal wie gross hier die Tiervielfalt ist. Jenseits der bewohnten Gebiete von Ostnigeria bis Gabon lebt eine der weltweit groessten Populationen unterschiedlichster Affensorten. Vom Drill und Mandrill, ueber Baboon bis Chimpansen und sogar Gorillas gibt es auch Arten, die nur hier existieren. Viele davon sind durch Wilddiebe und Abholzung bedroht. In Limbe konnte ich eine sehr beeindruckende Affenzuflucht besuchen, das Limbe Wildlife Sanctuary, die eine mittlerweile grosse Menge der oben erwaehnten Arten aufgenommen hat. Es werden lediglich Tiere beherbergt, die von Wilddieben beschlagnahmt werden. Es wird versucht, den beschlagnahmten Tieren wieder den Weg in die Freiheit zu ebnen, aber viele verbleiben, ohne Lebensraum bzw. verstoert, in der Obhut der Zuflucht. Waehrend ich die Gorillas beobachte, hoere ich am Kaefig der Papageien (ueber tausend Stueck wurden beim Versuch sie in Ausland zu schmuggeln, beschlagnahmt) viel Geschrei von mehreren Maennern. Angezogen von der Aufregung gehe ich hinueber und sehe, dass sie eine nicht zur Zuflucht gehoerende, sondern freie etwa fuenf Meter lange Python gefangen haben. Stolz, geradezu elektrisiert und mit einer Art Siegeslied ziehen die Maenner an mir vorbei. Die Schlange wird in einem von Menschen unbewohnten Gebiet wieder freigelassen, sagt man mir spaeter und mir wird bewusst, was sich tatsaechlich alles in unmittelbarer Naehe zum Strassenrand verbirgt. [caption id="attachment_374" align="alignleft" width="320" caption="Yaounde"]Yaounde[/caption] In Yaounde werde ich an einer Tankstelle von Wein trinkenden, stark angeheiterten Angestellten empfangen, die mir ein Glas mit Wein in die Hand druecken, bevor ich meinen Helm absetzen kann. Ein grosser, draussen aufgebauter Lautsprecher pustet mir lautstark den gerade hier beliebtesten Charthit aus der Elfenbeinkueste entgegen und ich schaukele froehlich mit meinem Wein mit. Besser konnte mein Empfang nicht sein. Es ist der 1. Januar und Feiertag und wer arbeiten muss, feiert eben trotzdem. Yaounde ist fuer eine Hauptstadt sehr entspannt und grosszuegig angelegt. Es verteilt sich auf mehrere gruene Huegel, liegt auf etwa 750 Meter ueber dem Meer und ist sehr angenehm temperiert. Zahlreiche Restaurants und Strassenverkauefer mit allerlei Obst, Snackshops und Supermaerkte, es gibt wenig was es nicht in unmittelbarer Naehe gibt. Besonders erwaehnenswert sind die herausragenden Patisserien. Selbst in Marokko habe ich nichts vergleichbares gesehen. Neben einer grossen Auswahl an unterschiedlichen Broten und Baguettes gibt es in erster Linie Torten, Gebaeck, Kekse, Kuchen, Sahnebizees, Zuckerschneken, Pfannkuchen (Berliner), einfach alles was das Schlemmerherz begehrt. Auch die Supermaerkte sind ueberraschend gut ausgestattet. Neben den ueblichen lokalen Produkten gibt es zu teilweise deftigen Preisen ein nahezu lueckenloses Angebot importierter Waren, vom franzoesischen Camembert ueber italienischen Wein bis zu amerikansichen Suesswaren. Sowohl Patisserien als auch die Topsupermaerkte sind natuerlich der wohlhabenden Schicht vorbehalten, die hier etwas groesser zu sein scheint. Interessant ist im Uebrigen, dass alle groesseren Supermaerkte von Libanesen gefuehrt werden, nicht nur hier in Kamerun, sondern ueberall in Westafrika. Mehr zu den Hintergruenden kann man hier nachlesen. Untergekommen im Casba de Saints warte ich auf die Ankunft von Mark und Geoff. Geoff hatte Mark bereits in Limbe eingeholt, indem er mit einer Faehre von Calabar nach Limbe, den beschwerlichen Weg uebers Land umschifft hat und dabei etwa 2 bis 3 Tage aufholen konnte. Es ist ein feierliches Gefuehl die beiden in den Hof einfahren zu sehen und nach laengerer Zeit wieder in der Gruppe vereint in voellig fremder Umgebung zusammenzukommen. Trennung und Vereinigung sind ein natuerlicher und unvermeidlicher Teil unserer Fahrt. Jeder hat seine Macken und Eigenarten und will manchmal eigene, individuelle Erfahrungen machen, ohne Kompromisse eingehen zu muessen. Mark entdeckt einen rostigen Nagel, der sich in meinen Hinterreifen gebohrt hat. Meine Hoffnung, dass er sich nicht bis in den Schlauch gebohrt hat, loesst sich beim Herausziehen hoerbar und buchstaeblich in Luft auf. Der aufmerksame Mitleser wird sich aus vergangenen Berichten erinnern, das der Wechsel des Hinterreifens keine ganz leichte Aufgabe bei meinem Motorrad ist und ich entscheide mich das Problem in die Haende eines etwa 18 Jaehrigen Reifenwechslers zu geben, der unweit von unserer Unterkunft zu finden ist. Etwa zwei Minuten, nachdem ich ihm erklaert hatte, dass es recht schwierig ist, den Reifen von der Felge zu bekommen, war der Reifen bereits ab und der Schlauch wurde geflickt. Nachdem der Flicken getrocknet war, dauert es nochmals ganze 3 Minuten, bis ich meinen aufgepumpten Reifen in der Hand halte. Tief beeindruckt schuettele ich meinem Held die Hand und gebe ihm 2 statt der geforderten 1 Euro 50. Wenn man weiss wies geht, dauert ein Reifenwechsel also etwa 5 Minuten. In Deutschland bezahlt man dafuer etwa 25 Euro. Eigentlicher Grund fuer unserern Aufenthalt in der Hauptstadt ist natuerlich wieder das etwas leidige Thema Visum. Wir versuchen hier gleich drei Visa zu bekommen, fuer Gabon, Congo und der DR Congo. Die Visa fuer Gabon und Congo konnten wir recht unproblematisch aber zu Hoechstpreisen erhalten. Alle bisherigen Berichte ueber Visaantraege fuer DRC in Yaounde die uns zu Ohren gekommen sind, waren allerdings negativ. Am Ende wurden alle abgelehnt. Wir wollen aber keine Moeglichkeit aussen vor lassen und reichen unseren DRC-Antrag am Freitag ein und verbleiben uebers Wochenende mit der Hoffnung auf Erfolg. Der Bearbeiter weisst uns allerdings bereits freundlich darauf hin, das wir durchaus abgelehnt werden koennen, die eingereichte Bearbeitungsgebuer dann aber dennoch faellig ist. Auf die Frage was denn ein Grund fuer eine Ablehnung sein koennte, antwortet er lediglich, das wuesste er nicht, es liegt ganz in der Hand des Konsulars, manchmal vergibt er Visa und manchmal eben nicht. Wir hoffen er hat ein gutes Wochenende und druecken die Daumen. Heute wurden uns dann allerdings die Paesse ohne Visum und ohne Begruendung wieder zurueckgegeben. Wir sollen es doch in Brazzaville, Congo nocheinmal versuchen, vielleicht haetten wir da mehr Glueck, sagt uns die Bearbeiterin. Mehr war nicht zu machen. Da es nach allgemeiner Meinung nicht erfolgsversprechend ist, die Visa fuer Angola und DRC im sehr teuren Libreville, Gabon zu beantragen, werden wir aller Vorraussicht nach unseren naechsten Versuch in Brazzaville machen und haben dann bei Misserfolg eine letzte Chance in Point Noire. Zwischen allen uns bekannten Afrikatouristen, die derzeit nach Sueden unterwegs sind (wir duerften von den meisten wissen), herscht derweil ein Informationsausstausch ueber Handy und Email. Wer etwas Verwertbares erfaehrt, verbreitet die Information an die anderen. Dennoch, obwohl andere weiter suedlich sein duerften, ist uns bislang nichts Positives zu ohren gekommen. Langsam werden wir etwas nervoes und beginnen bereits Alternativplaene zu diskutieren. Sollten wir ein Angolavisum, aber kein DRCvisum erhalten, gaebe es etwa die Moeglichkeit von Cabinda, einem abgespaltenen Teil Angolas, der direkt von Congo aus zu erreichen ist, mit dem Boot oder Flugzeug ins Hauptterretorium das Landes zu gelangen und somit DRC zu umgehen. Wenn es hingegen stimmt, dass derzeit nur in Matadi in DRC, ein Visum fuer Angola zu bekommen ist, haben wir ein grosses Problem. Es gibt keinen Weg nach Sueden, der sowohl DRC als auch Angola ausschliesst. Zumindest keinen der ernsthaft in Erwaegung zu ziehen waere. Sollten wir das Visum fuer DRC aber nicht das fuer Angola bekommen, gibt es zumindest die theoretische Moeglichkeit Angola durch DRC zu umfahren. Doch dieser Versuch grenzt aufgrund der Situation im Land und der praktisch fehlenden Infrastruktur, von Strassen bis zu Benzin, an Leichtsinn. Es sieht nicht gut aus und Namibia, sozusagen das rettende Ufer auf der anderen Seite, fuehlt sich zunehmend ferner an, je naeher wir kommen. Morgen geht es aber erstmal nach Gabon und ich hoffe wir koennen trotz der vor uns liegenden Schwierigkeiten die Fahrt und das Land geniessen. Abschliessend vielen Dank wieder fuer eure Wuensche und Kommentare, auch fuer die Tipps zur Reparatur der Gabel. Geoff hat mir aus Lome derweil neue Dichtungen mitgebracht. Die Reparatur steht allerdings noch aus.  Machts gut und bis zum naechsten mal.

© 2020 migo travels Suffusion theme by Sayontan Sinha