[caption id="attachment_417" align="alignleft" width="320" caption="Stromschnellen auf dem Congo - eines der Gruende, warum nicht einmal Boote zwischen Brazza und Point Noir bzw. Kinshasa und Matadi verkehren koennen"]Stromschnellen[/caption] Ich entscheide mich in die DR Congo allein vorauszufahren und lasse Mark und Geoff zunaechst in Brazzaville zurueck. Beide haben noch diverse organisatorische Dinge zu erledigen und ich kann derweil die Visasituation vor Ort in Matadi auskundschaften. Die Grenzueberquerung von Brazzaville nach Kinshasa mit der Faehre erwies sich stressfreier als erwartet, einzig eine Hygienekomission verursachte etwas Schwierigkeiten. Geoff hatte bereits davon gehoert, dass man auf Kinshasaseite versucht, eine gehoerige Portion Dollars zu verdienen, indem man angeblich das Fahrzeug desinfizieren muesse. Ein Herr in weissem Kittel und zugegeben echt aussehender Identifikation verweigert mir dann auch die Ausfahrt aus dem Grenzgelaende. Ich lasse mich nicht darauf ein, stelle mich stur und werde zunehmend sauerer, bis man man mich zaehneknirschend entlaesst. Ahh, welch gutes Gefuehl nach langer Wartezeit alle Grenzformalitaeten hinter mir gelassen zu haben und frei ins Land zu fahren. Es gab diverse Berichte, dass andere trotz gueltigem Visum nicht ins Land gelassen wurden, weil sie kein Angolavisum vorweisen konnten (was ja nur in DRC zu bekommen ist) und so konnte ich bis zum Schluss nicht sicher sein, ob ich tatsaechlich durchgelassen werde. Guten Mutes suche ich mir meinen Weg durchs belebte Kinshasa und freue mich auf meine Fahrt nach Matadi, als ploetzlich ein Getraenketraeger mit einem Kasten auf der Schulter vor mir auf die Strasse tritt. Der Kasten sitzt auf der mir zugewandten Schulter, er kann mich also nicht sehen und er laeuft direkt in meine Fahrtrichtung. Ich bremse sofort, komme aber nicht zum stehen und fege ihn von der Strasse. Oh nein, Oh nein, Oh nein. Mein soeben gewonnennes Freiheitsgefuehl verpufft innerhalb weniger Sekunden und die furchtbarsten, moeglichen Konsequenzen schiessen mir durch den Kopf. Ich bin in Kinshasa, DRC in einem der korruptesten Regionen ueberhaupt, bis vor ein paar Monaten gab es in diesem Land noch Krieg und ich fahre jemanden an. Diesmal habe ich ganz schlechte Karten. Zunaechst jedoch steige ich vom Motorrad und renne zu meinem Opfer. Er ist etwa 20 Jahre und liegt inmitten seiner zerbrochenen Flaschen, blutet an Fuss und Kopf, will aber gleich wieder aufstehen. Waehrend ich mich um ihn kuemmere, bemerke ich wie jemand an meinem Tankrucksack rumfummelt und spuere zur gleichen Zeit eine Hand, die versucht sich in meine Oberschenkeltasche zu zwaengen, wo sich mein Portemonaeie befindet. Es hat sich natuerlich sehr schnell eine Traube Neugieriger um uns gebildet und die allgemeine Aufruhr wird gnadenlos sofort ausgenutzt. Ich reisse die Hand weg von der Tasche und stuerme zurueck zum Motorrad, um den Dieb zu vertreiben. Zur gleichen Zeit sehe ich wie andere die heil gebliebenen Flaschen einsammeln und damit wegrennen. Drei Diebstahlsdelikte zur gleichen Zeit, wo bin ich nur gestrandet. Bevor ich zum Motorrad komme, bin ich umringt von Polizisten. Der Unfall ereignete sich direkt vor einer Polizeizentrale. Ich bin mir nicht sicher ob das gut oder schlecht ist. Mein Unfallopfer steht derweil wieder auf eigenen Fuessen und sieht sehr ungluecklich aus, scheint aber ohne groessere Schaeden davongekommen zu sein. Wir gehen ins Praesidium, eine Ruine, in dessen Inneren Pappwaende eingezogen wurden, um einzelne Minibueros abzuteilen. Mir werden alle Dokumente abgenommen, doch ich weigere mich vehement auch den Motorradschluessel abzugeben und man laesst ihn mir. Zusammen mit einem Polizisten, der schlechtes Englisch spricht, sich aber in den kommenden Stunden als grosse Hilfe erweist, fahren wir zunaechst ins Hospital. Von diesem Moment an blute ich meine wohlgehueteten Bardollars, die ich fuer DRC und Angola aufgehoben hatte. Wir verbringen etwa 3 Stunden im Krankenhaus, waehrend Patrice, der Polizist,  darueber wacht, dass ich nicht wegrenne und ich nacheinander die Behandlungen fuer meinen Patienten bezahle. Mit grosser Erleichterung hoere ich, dass es nur leichte Wunden und ein paar Prellungen sind. Nach der Intensitaet des Aufpralls haette ich durchaus mit Bruechen gerechnet. Zurueck im Praesidium werden handschriftlich alle Formalitaeten genau festgehalten, wobei es bei den Fragen eigentlich nie um den Unfallhergang geht. Die Fragen sind groesstenteils buerokratischer Natur. Ich muss genaue Auskunft ueber meine Eltern geben, Namen und Berufe werden festgehalten. Man will meine Versicherung sehen. Ich habe natuerlich keine, praesentiere aber meine gruene Versicherungskarte und versichere, dass es sich um einen weltweiten Versicherungsschutz handelt. Leider werden auf dem Papier alle Laender mit Versicherungsschutz aufgelistet und den Namen DR Congo suchen die Polizeibeamten natuerlich vergeblich. Ich erklaere, dass es sich lediglich um Praesenzen meiner Versicherung in einigen Laendern handelt und die Allianz leider noch kein Buero in Kinshasa eroeffnet hat und man gibt sich zufrieden. Im Wesentlichen ist es vorallem wichtig man hat ueberhaupt etwas was man zeigen kann. Die gruene Versicherungskarte hat mir schon oft bei Strassenkontrollen geholfen, auch wenn die Kontrolloere kein Wort verstehen. Es sieht ausreichend offiziel aus. Die Frage die am naehesten mit dem eigentlichen Unfall zu tun hatte, war "Warum bin ich auf der Strasse gefahren". Um auf die Hauptstrasse Richtung Matadi zu kommen, sage ich und die Antwort genuegt. "Warum sitze ich hier bei der Polizei", beantworte ich mit "Weil ich in einem Unfall verwickelt war" und auch diese Antwort genuegt. Abschliessend werde ich darauf hingewiesen, dass ich Blut eines Mannes vergossen haette, was ein grosses Problem darstellt und was ich dazu sagen wuerde. Ich druecke meine ehrliche Anteilnahme aus, bitte instaendig um Entschuldigung und sage dass es mir sehr leid tut. Diesmal reicht die Antwort nicht aus und die Frage wird wiederholt. Ich fuege hinzu, dass ich  natuerlich bereit bin, fuer das vergossene Blut eine Entschaedigung zu zahlen. Meine angebotenen 50 Dollar werden akzeptiert und mein Opfer schreibt unter dem Diktat des bearbeitenden Polizisten, dass er sich mit der Entschaedigung einverstanden erklaert und keine weiteren Forderungen erheben wird. Eine Schuldfrage wurde eigentlich nie gestellt. Waere ich nicht hergekommen, haette es keinen Unfall gegeben, ganz einfach. Die letzte verbleibende Formalitaet ist die eigentlich Strafe. 500 Dollar will man haben und es beginnt ein langwieriger Prozess, in dem ich versuche den Preis zu druecken. Am Ende zahle ich 100 Dollar, die direkt ins Portemonaeie des Fallbearbeiters wandern. Am spaeten Abend bin ich wieder frei und gezwungen in Kinshasa zu uebernachten. Die Offenheit, mit der Korruption behandelt wird, ist schockierend. Bereits im Buero der Grenzbeamten habe ich mehrfach beobachtet, wie einige zur Beschleunigung des Prozesses Geld an den Leiter uebergeben haben, offensichtlich und fuer alle sichtbar, auch fuer die anderen Grenzbeamten. Man zahlt fuer einen Gefallen, eine Dienstleistung, ein Augenzudruecken wie man einem Kellner ein Trinkgeld gibt. Wer etwas fuer einen anderen tut, erwartet eine finanzielle Gegenleistung, egal ob er einen Job hat, dessen Gegenstand darin besteht eben diese Taetigkeit auszuueben. Bargeld ist hier allgegenwaertig. Jeder scheint Geld zu zaehlen, entgegenzunehmen, an andere zu uebergeben, abzuholen. Die groesste Geldnote ist ein 500 Frankenschein, etwa 60 Cent und man hantiert mit riesigen Buendeln, die staendig gezaehlt werden muessen. In der Rechnungsstelle im Hospital werden ganze Schuhkartons voller 500er Noten angekarrt. Einen Wert von 30 Euro kann ich nicht mehr im Portemonaie tragen und bin statt dessen gezwungen, mehrere Stapel Geldscheine auf mehrere Taschen zu verteilen. In der Praxis hat DRC jedoch zwei Waehrungen kongolesische Franken und Dollar. Man kann immer und ueberall mit Dollar bezahlen oder sie an zahllosen Wechselstellen gegen grosse Frankenbuendel eintauschen. Die Wechselstellen sind meist kleine Tische am Strassenrand mit grossen, aufgemalten Dollarzeichen und haeufig werden ganze Geldnotenberge darauf gestapelt. Geld, wo man hinsieht. Korrupt und geldgetrieben sind meine zugegeben sehr einseitigen Eindruecke von Kinshasa und ich bin heilfroh am kommenden fruehen Morgen die 7-Millionenstadt zu verlassen und nach Matadi aufzubrechen. [caption id="attachment_420" align="alignleft" width="320" caption="Der Hof meiner christlichen Herberge"]Der Hof meiner christlichen Herberge[/caption] In Matadi angekommen, finde ich eine christliche Mission, die in ihrem friedlichen und ruhigen Anwesen Zimmer vermietet. Es ist genau was ich brauche und ich kehre ein. Leider verwandelt sich meine entspannte Zuflucht innerhalb der Woche in eine Grundschule und ich bin umgeben von hunderten schreiender Kinder. Die Hauptlehrmethode in den viel zu grossen Klassen besteht darin, alle Kinder im Chor irgendetwas herunterbeten, nein schreien zu lassen, .. den ganzen Tag. Dennoch, meine Erleichterung hier und nicht in Kinshasa unter wiedrigen Umstaenden, umgeben von korrupten Beamten zu sein, steht weit ueber all dem Laerm. Meine zweite Gabeldichtung ist nun ebenfalls undicht und ich kann die Reparatur nun nicht mehr hinausschieben. Das fehlende Werkzeug zusammengekauft und Spezialwerkzeug mit einfachen Mitteln aus auseinandergeschnittenen Plastetassen improvisert, kann ich loslegen. Ohne jegliches Verstaendnis fuer die Funktionsweise einer USD-Gabel, aber mit vielen guten Hinweisen aus dem Internet schaffe ich es in etwa 6 Stunden die Dichtungen auszutauschen, die Gabeln mit Automatikgetriebeoel aufzufuellen (Danke fuer den Tipp Thomas) und wieder erfolgreich zusammenzuschrauben. Ich war stolz wie ein Einschulungskind und bin gespannt obs haelt. Fuer alle KTM-Adventure-Fahrer moechte ich hier ausdruecklich die Seite www.ktm950.info empfehlen. Ohne das Internet und besonders diese hervorragende Seite waere ich schon des oefteren hoffnungslos aufgeschmissen gewesen. Sehr gute Neuigkeiten kann ich von meinem Besuch im angolanischen Konsulat vermelden. Man war sehr hilfreich und wird uns ein Transitvisum ueber 5 Tage genehmigen. Mehr ist allerdings nicht moeglich.  Die Visaantraege haben wir bereits eingereicht (Geoff und Mark sind mittlerweile auch in Matadi angekommen). Vier Seiten mit Fragen mussten ausgefuellt werden und ein Angestellter hatte nochmals ein weiteres vierseitiges Fragedokument, das er, uns Fragen stellend, ausfuellte. Unter anderem mussten wir alle Geschwister unserer Eltern auflisten und beantworten wieviel die Anfertigung unserer Paesse in unserem Heimatland gekostet hat. Der ganze Antragsprozess nahm den gesamten Vormittag ein. Wenn alles gut geht, bekommen wir morgen unsere Visa und verlassen am Samstag DRC. Ansonsten ist Matadi eine recht angenehme und freundliche Stadt. Ndele, das lokale Wort fuer weisser Mann, hoere ich permanent, wenn ich durch die Strassen schlendere. Jeder will mich gruessen und winkt mir zu. Alle sind freundlich, aber manchnmal wuensche ich mir nichts sehnlicher als unterzutauchen und in Ruhe die Stadt zu erlaufen. [caption id="attachment_419" align="alignleft" width="320" caption="abenteuerliche Ladenkonstruktion im huegeligen Matadi"]abenteuerliche Ladenkonstruktion im huegeligen Matadi[/caption] Nach 4 Tagen in Matadi, habe ich noch keinen anderen Weissen hier gesehen. Da faellt man eben auf. Die Strassen sind voll mit wandernden Strassenverkaeufern und es ist sehr unterhaltsam, sich in eine der vielen Bars mit Stuehlen an der Strasse zu setzen und abzuwarten was einem angeboten wird. Neben den ueblichen Dingen wie Erdnuesse, Maiskolben, getrocknete Bananenscheiben, gekochte Eier, Fleischspiesse, selbstgemachte Kartoffelchips, Ananasscheiben, frittierte Teigbaelle, Waffeln, kleine Kuchen, Wurzeln zum draufrumkauen, eine Art Maden-Insektensalatmix (ganz widerlich)  und vieles eigenartige, nicht identifizierbare und in kleinen Tueten verpackte, sind hier besonders Wurstbrote der Renner. Ein Eimer mit einer Art Jagd- oder Mettwurst und ein anderer mit Brot. Die Wurstbrote werden dann auf Wunsch direkt vor Ort zusammengebaut. Aber es werden auch Waren angeboten, T-shirts, allerlei Kunstartikel, Spiegel, Taschentuecher, Zigaretten usw. und so ist es auch ohne Begleitung nie langweilig in einer Strassenbar ein Bier zu geniessen. Mit Angola liegt unsere letzte, absehbar schwierigere Etappe vor uns und mir ist noch nicht klar, wie wir jetzt in der Regenzeit (seit dem Congo regnet es beinahe taeglich),  auf teilweise unbefestigten Strassen, innerhalb von nur 5 Tagen durch das riesige Land kommen sollen. Wir werden es herausfinden. Den kommenden Eintrag werde ich moeglicherweise erst aus dem fast 3000 Kilometer entfernten Windhoek einstellen koennen. Vielen Dank wieder fuer eure rege Teilnahme, besonders an alle die Feedback hinterlassen. Ihr seid meine wichtigste Motivation meine Erlebnisse hier festzuhalten.
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